Katalog zur Tagung über die Provenienzforschung in NRW im Goethemuseum Düsseldorf |
Provenienzforschung – Was ist das eigentlich und warum ist sie so wichtig?
Wer
uns auf Facebook und/oder Instagram folgt, hat es vielleicht schon
mitbekommen: Wir vom Schulmuseum haben uns Provenienz-Forschung auf
die Fahne geschrieben. Wem dieser Begriff schon einmal begegnet ist,
denkt vermutlich zunächst an Raubkunst und Wiedergutmachung, doch
betrifft die Frage nach der Provenienz längst nicht nur
Kunstgenstände.
Und was ist das nun genau?
Zunächst
ist Provenienz nichts anderes als die Geschichte eines Objekts. Diese
gibt Auskunft über die Eigentumsverhältnisse, die Voreigentümer
und darüber woher das Objekt stammt. Über diese Informationen
lassen sich Enteignungen feststellen, aber auch neue Themen und
Zugänge zur Vermittlung von Inhalten finden. Und das ist für alle
interessant.
Mehr als nur eine Zusatzinfo
Ein
historisches Objekt ist ohne Kenntnis seiner Provenienz nicht mehr
als ein Gegenstand, erst seine Geschichte gibt ihm eine Seele. Um
ein Beispiel zu präsentieren: Eine historische Tabakdose, reich
verziert und hübsch anzuschauen ist ohne die Kenntnis ihrer
Provenienz eben nur eine Tabakdose. Weiß man aber, dass sich diese
Tabakdose einst im Besitz des bedeutenden Pädagogen FriedrichWilhelm Dörpfeld befand, wird es spannend:
Dörpfeld entwickelte als
erster ein Allgemeinbildungskonzept, in dem Gesellschaftskunde,
Naturkunde und Religion vereint wurden und hinterließ eine Zahl
geradezu moderner Werke der Pädagogik die sich ebenfalls bei uns im
Museum befinden. Er ist derjenige, dem wir den noch heute in
Grundschulen üblichen Sachunterricht und den Namen einer Schule in
Wuppertal-Ronsdorf verdanken.
Doch trägt in Wuppertal noch eine
weitere Schule den Namen Dörpfeld. Das Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium
ist nach Friedrich Wilhelm Dörpfelds Sohn benannt. Dem Archäologen,
der als der Begründer des modernen Grabungswesens gilt und der
gemeinsam mit Heinrich Schliemann in Troja forschte. Somit führt
einen die Geschichte einer einzelnen Tabakdose zur Geschichte zweier
bedeutender Personen und zur Namensgebung zweier Schulen, womit man
Stoff für eine ganze Ausstellung und eine mindestens einstündige
Führung hat.
Die Tabakdose des Pädagogen FriedrichWilhelm Dörpfeld |
Je alltäglicher der Gegenstand, desto schwieriger dessen Erforschung
Natürlich
ist diese Tabakdose ein Glücksfall. Was im Bereich der Kunst
zuweilen noch einfach ist (die Voreigentümer bekannter Kunstwerke
lassen sich zumeist erfreulich gut recherchieren), stellt bei
Alltagsgegenständen im Normalfall eher eine Herausforderung dar.
Den
Besitzer eines alten Lederranzens ausfindig zu machen ist eine kaum
lösbare Aufgabe, denn diese Lederranzen glichen sich stark und waren
ebenso Zahlreich wie ihre Eigentümer. Einfacher ist es da unter
Umständen mit Büchern oder anderen persönlichen Gegenständen, die
mit dem Namen des Eigentümers beschriftet sind. Hierüber lässt
sich relativ schnell herausfinden, wer der Eigentümer war und aus
welchem sozialen Umfeld er stammte - was z.B. besonders schön bei
Poesiealben zu sehen ist.
Wie wird vorgegangen, um die Provenienz zu klären?
Die
Klärung der Provenienz verläuft zunächst in drei Schritten: Zuerst
erfolgt eine Sortierung des Sammlungsbestandes, um eine Übersicht zu
erhalten. Als zweiter Schritt folgt die Archivierung, bei der das
Objekt eine Nummer und ein Datenblatt erhält, in dem alle bekannten
Informationen festgehalten werden. Diese Informationen enthalten eine
genaue Beschreibung, ein Bild und falls Vorhanden, die Information
wie das Objekt in die Sammlung gelangte.
Bei einigen Objekten tritt
hier schon die erste Schwierigkeit auf und die eigentliche
Provenienzforschung beginnt. Das ist dann ein wenig wie eine
Schnitzeljagt, die einen durch diverse Archive und Akten führt und
mit den unterschiedlichsten Menschen in Kontakt treten lässt. Alle
Mühe kann dabei aber nicht verhindern, dass manch eine Spur im Sand
verläuft und einen zwingt neue Strategien zu entwickeln. Zuweilen
helfen in solchen Fällen Zeitungsaufrufe, doch drängt bei vielen
Objekten die Zeit, denn je älter das Objekt, umso geringer die
Wahrscheinlichkeit, noch Personen zu finden, die sich erinnern
können.
Was geschieht, wenn ein Objekt unrechtmäßig in die Sammlung gelangte?
In
diesem Fall wird Kontakt zu den rechtmäßigen Eigentümern – oder
sollten diese verstorben sein, zu deren Erben aufgenommen. Aber was
passiert dann mit dem betreffenden Objekt?
Da
gibt es viele Möglichkeiten. Die Entscheidung liegt dabei beim
rechtmäßigen Eigentümer, dem es freisteht sein Eigentum
zurückzufordern, es als Dauerleihgabe bei der Institution zu lassen,
oder gar eine Schenkung vorzunehmen
Melody
Stach
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