Sonntag, 8. März 2020

Zum Weltfrauentag ein Blick auf den Lehrerinnenberuf im 20. Jahrhundert!

Frauenbildung und gebildete Frauen um 1900  

1914 schrieb Arnold Sachse in seiner Schrift „Volksschulen“: „Die Erfahrung wird zeigen, ob das weibliche Geschlecht körperlich und geistig den jetzt gestellten Aufgaben gewachsen ist.“ Gemeint war damit die Angleichung der Lehrerinnenausbildung an die Ausbildung, welche ihre männlichen Kollegen erhielten.1 Das war ein Verdienst von Frauenorganisationen, in denen Lehrerinnen, aber auch andere Frauen sich vernetzt hatten, um für ihre Belange einzutreten.2

Erziehung und Bildung von Mädchen

Gelbe Broschüre 1887 von Helene Lange

Dass Mädchen zur Schule gehen, studieren und ihnen beruflich alle Wege offenstehen, ist für uns heute ebenso eine Selbstverständlichkeit wie der Unterricht bei einer Lehrerin. Doch das war nicht immer so.

Noch vor 120 Jahren waren unabhängige, berufstätige Frauen die Ausnahme, da die Gesellschaft die Frau vor allem als Ehefrau und Mutter vorsah. Ihr Wirken beschränkte sich allein auf den häuslichen Bereich, während der Mann das gesellschaftliche Leben organisierte und das Einkommen erwirtschaftete.
Die Erziehung der Mädchen bereitete sie schon früh auf ihre Rolle als Mutter und Ehefrau vor: Sie erlernten das Kochen und Hausarbeiten von ihren Müttern und anderen weiblichen Verwandten und verbrachten bis zu ihrer Heirat nicht selten eine Zeit als Hausmädchen in einem fremden Haushalt.
Auf dem Land und in den unteren Gesellschaftsschichten waren sie oft an der Erwirtschaftung des Unterhalts der Familie beteiligt. Die Schulbildung, das Erlernen von Lesen, Schreiben und Rechnen, blieb dabei oft auf der Strecke und nicht selten weist gerade sie Schulbildung von Mädchen trotz Schulpflicht auch um 1900 noch immer Lücken auf.

Wer wurde Lehrerin und warum? 

Erst Ende des 19. Jahrhunderts öffnete sich das Bildungssystem mehr und mehr für Frauen. Lehrerin wurden zunächst vor allem Mädchen aus dem Bürgertum für die es eine der wenigen Möglichkeiten war sich unverheiratet oder im Todesfall des Ehemannes zu versorgen.
Die zweite Gruppe von jungen Frauen, die zu Lehrerinnen wurden, sind Mädchen aus der Unterschicht. Ihnen gelang damit ein sozialer Aufstieg, von dem auch die Familie oftmals finanziell profitierte.
Dass es sich aber trotz der vielen persönlichen Vorteile vielfach um Pädagoginnen aus Überzeugung gehandelt haben dürfte, zeigen das rege Engagement in Lehrerinnenvereinen und der vielfache Besuch von Tagungen der weiblichen Lehrkräfte.

Wie man Lehrerin wurde 

Bis 1920 waren Lehrerinnen in Volksschulen, höheren Mädchenschulen und in Privathaushalten Angestellt, ohne eine einheitliche Ausbildung erhalten zu haben.3 Sie bereiteten sich durch Seminare über Privatunterricht oder durch autodidaktische Studien auf die Lehrerinnenprüfung vor.
Dies änderte sich 1911, als die Ausbildung und Prüfung der Volksschullehrerinnen von der Ausbildung und Prüfung der Lehrerinnen an mittleren und höheren Mädchenschulen vollkommen getrennt wurde. Lehrerinnen mit der Ausbildung für mittlere und höhere Mädchenschulen konnten an Volksschulen unterrichten, umgekehrt war das nicht mehr der Fall.4 
Mit dieser Regelung sollte eine Angleichung der Ausbildung männlicher und weiblicher Lehrkräfte und ein einheitliches Niveau erreicht werden. Die Laufbahn sah nun den Besuch der Staatlichen Lehrerinnenseminare zwingend vor. Bis 1900 existierten nur fünf dieser Seminare für Volksschullehrerinnen, von denen vier katholisch waren. Nach dem Erlass 1914 wuchs die Gesamtzahl auf 18 Seminare an.5

Historischer Arbeitstisch im Büro des Schulmuseums

Das Lehrerinnenzölibat 

1880 wurde im Deutschen Reich das sogenannte Lehrerinnenzölibat erlassen. Frauen, die der Lehrtätigkeit nachgehen wollten, mussten ab 1880 unverheiratet sein und schieden mit einer Eheschließung aus dem Staatsdienst aus. Sie verloren damit ihren Beamtenstatus und ein Anrecht auf Pensionszahlungen.
Der religiöse Einfluss in der Lehrerinnenausbildung mag mit ein Grund für das sogenannte „Lehrerinnenzölibat“ gewesen sein, doch vor allem die bereits angesprochenen gesellschaftliche Aspekte und das Vorurteil, dass Frauen einer Doppelbelastung durch Familie und Beruf nicht standhalten könnten, spielten eine nicht unbedeutende Rolle. 

Die jungfräuliche Lehrerin? 

Der Verzicht auf die Ehe bedeutet jedoch nicht, dass Lehrerinnen das oft verschriene Leben einer alten Jungfer führten und vom sozialen Leben ausgeschlossen waren.
Oftmals unterhielten sie rege Kontakte untereinander, hatten ein aktives Sozialleben und bildeten Wohngemeinschaften. Inwiefern diese unter Umständen tatsächliche Lebensgemeinschaften darstellten, lässt sich aber bislang mangels Dokumenten nicht nachvollziehen.

Lehrerinnen in der Moderne 

Endgültig aufgehoben wurde das Lehrerinnenzölibat tatsächlich erst 1957 durch das Bundesarbeitsgericht.
Heute, 63 Jahre später sind Lehrerinnen und Lehrer weitgehend gleichgestellt. Lehrerinnen erhalten die gleiche Ausbildung und unterrichten dieselben Fächer wie ihre männlichen Kollegen - allerdings verdienen besonders Grundschullehrerinnen immernoch bedeutend weniger an ihrem Beruf.

 Melody Stach

Quellen:

1 Arnold Sachse, Volksschulen, aus: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II., zweiter Band neuntes Buch S. 51-77, 1914.
2 Ebd.
3 Susanne Pillmann, Mädchenbildung in Deutschland. Geschichte des Berufes Lehrerin, 2013
4 Arnold Sachse, Volksschulen, aus: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II., zweiter Band neuntes Buch S. 51-77, 1914.
5 Ebd. 

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